Donnerstag, 29. September 2011

Jeden Tag ein kleiner Abschied oder die Jugend von heute

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Ich erzähle jetzt mal was, was gar nicht so bekannt scheint: Die Jugend von heute ist gar nicht furchtbar. "Jugend" das heißt in unsere kirchlichen Mikrokosmos meist "Konfis".Die Jugend also Konfigruppe ist eigentlich alles in allem ziemlich gut drauf, sozial, clever, hilfsbereit und offen. 

Das wollte ich nur mal loswerden. Zum einen, weil auffallend häufig in den letzten Wochen über die Jugend geschimpft wurde. Der Anlass war, dass ich wegen Urlaubs leider nicht persönlich zum Geburtsagsgratulieren einiger Jubilare erscheinen konnte. Und da hat sich ein Abgrund an Vergleichen aufgetan: Die Jugend die sei doch eh zu nichts mehr Nutze, auf die solle man nicht soviel Zeit verschwenden, die Kirche würden die eh nicht voranbringen.....

Das ist Mumpitz, wie gerade an dem allerletzten Konfisamstag wieder ganz deutlich wurde. Da lassen sich pubertierende Jugendliche auf das Thema "Gebet" und "Segen" ein, formulieren eigene Schuld und Fehler im Kyriegebeten, singen das uralte Kyrie eleison, stecken fürbittend Kerzen an und geben Segen weiter. Das gehört zu den vielleicht schönsten Eindrücken: Wie sich die Konfis paarweise mit Segenskärtchen zurückziehen, ihren Partner einen Segenswunsch aussuchen und versprechen, ihm (oder ihr) danach ein kleines Kreuz mit Duftöl auf die Hand malen.

Und dass danach ein Konfi mit "Ey, Herr Pfarrer, jetzt bin isch voll abgesegnet" strahlend die Empore runterkam, macht den Abschied von der Gruppe wehmütig und gut: Der Kirche die solche Konfis hat, braucht nicht bange zu sein.  

Montag, 26. September 2011

Mit Gott in die Zukunft - mit DEM Papst in die Vergangenheit

Tragisch? Da hat sich unser Kirchenpräsident vom Papstbesuch ein deutliches Zeichen der Ökumene gewünscht  - und er hat´s auch prompt bekommen. Wahrscheinlich aber nicht wie gewünscht, die Papstsignale waren so wie bisher, also bestenfalls schweigende Absagen gemischt mit schallenden Ohrfeigen an die evangelische Kirche und Anfragen der Ökumene. Ein Fantast wer etwas anderes erwartet hätte. Es bleibt also wie es war, mit diesem Papst ist ein Mehr an Gemeinsamkeit und ein Aufeinanderzugeh´n nicht möglich. 

Wenn Benedikt aber so klug ist wie immer behauptet wird, dann lasst ihn uns doch wohlwollend unterstellen, er hätte seinen Besuchsslogan mit Bedacht gewählt: Mit Gott in die Zukunft. Das soll wohl auch heißen: ohne Papst. Und mal unter uns, besser so als andersrum, oder?

Und schön ist, dass viele ja längst weitergehen, wo Benedikt lieber auf der Stelle tritt und sehnsuchtsvoll zurückschaut. Man muss nur mal in twitter reinschauen, was es da für Kontakte und Diskussionen unter katholischen und evangelischen KollegInnen gibt oder man kommt mal im RL in die Crainfelder Kirche und lacht über eine Karikaturenausstellung, die Bamberger Diözese und Kirchenkreis gemeinsam zusammengestellt haben. Das scheint mir nicht der schlechteste Weg in eine zumindest gemeinsamere Zukunft, soll Benedikt doch mal schön in der Vergangenheit bleiben.

 
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Sonntag, 25. September 2011

Jeden Tag ein kleiner Abschied - Gang durchs jüdische Crainfeld

Verrückt, es gibt Tage die verrücken die Wahrnehmung ohne das viel passiert.

Heute war so einer, weil sich erstaunlich-erfreuliche viele Leute auf die Spuren des jüdischen Crainfelds gemacht haben. Eigentlich ist das alles bekannt: Crainfeld war eines der Zentren des jüdischen Lebens im Vogelsberg - auch weil das Adelsgeschlecht der Riedesel den Nazis das "Judenfrei" schon jahrhunderte vorweg nahmen und keine Juden in ihren Dörfern duldeten.

Und doch ist es etwas anderes, die Häuser abzugehen, an die Menschen und ihre persönliche Geschichte erinnert zu werden. Besonders bewegend waren die erzählten Erinnerungen der alten Crainfelder: Wie der jüdische Nachbar so packend erzählte, dass man das Geld für die Zeitung sparte, wie die Lausbuben von der Mauer aus in die Synagoge lugten und sich über die Gebetsformen amüsierten, wie aufgeregt die Mädchen waren, wenn ihnen ein seltender Besuchergang in die Miquwe erlaubt wurde.

Und damit rückt das Unverständnis ins Zentrum und stellt diese unangenehmen Fragen: Wie konnte ein weitestgehend gutes Miteinander unter dem Stiefelgedröhn der SA Schergen zerbröseln? Warum haben sich nicht die tapferen Hilfsangebote und die vereinzelte Solidarität und das Mitleid durchgesetzt, sondern die massenhafte Deportation in den den Tod? Warum musste die Synagoge abgerissen und das jüdische Bad zugeteert werden?

Aber vielleicht liegt ja darin genau der Sinn eines solches Tages, sich dem Irrsinn, der schon nicht mehr Verrücktheit genannt werden kann, bewusst zu werden. Ich werde ab sofort sicher ein wenig anders durch Crainfeld gehen.

Donnerstag, 1. September 2011

Ein El Kurdi namens Hartmut

gab sich in Crainfeld ein Stelldichein. Und das freut den Dorfpfarrer im Nachhinein ganz besonders. Der Grund der Lesung des Kind

erbuch- und Kolumnenautors sowie Regisuers und Schauspielers hatte seinen Anlass im Festkalender der 1000Jahr Feierlichkeiten unseres Dorfes. Hartmut El Kurdi verbrachte als Kind eine kurze Zeit in Crainfeld und so entsand die Ide

e ihn mal wieder in seine "alte Heimat" einzuladen.

Für mich eine tolle Begegnung, inspirierend und erfrischend. Mir tut das einfach gut auf kreative Menschen zu treffen und wenn sie sich dann noch als so easy going raustellen, ergibt das nette Abende.

Für uns als Dorf und Kirchengemeinde eine spannende Angelegenheit. Denn es führt ja ein mehr bewegtes Leben zu El Kurdis Existenz. Nämlich das der  Urcrainfelderin Luzie Althaus, die dem Elend des Dorfes entfliehen wollte, als Au-Pair nach England ging, da einen jordanischen Offizier lieben lernte, deshalb mit dem in Jordanien und London lebte und schließlich nach Scheitern der Ehe mit Klein Hartmut Zuflucht bei der Oma in Crainfeld suchte, um weiter nach Kassel zu ziehen. Eine besondere Biographie war da für ein Wochenende auf einmal wieder ganz präsent, die in ihrer Lebensbewätigung so eine ganz andere Strategie probiert hat wie das gewohntere weil weit verbreitete Mantra "Wir müssen die Dinge ertragen, die Gott uns besch(w)ert. Ob sie das glücklich gemacht hat? Wer weiß... Indirekt hat sie sicher zu tollen Texten geführt, ein Erfahrungsschatz aus den ihr Sohn als Autor zu schöpfen weiß.

Und so war der Besuch auch bereichend, weil wir so zu einer Veranstaltung der ungewohnten Art kamen: einer Lesung mit den eben diesen Texten Hartmut El Kurdis. Ich fühlte mich dabei an meine Anfänge in Crainfeld erinnert, nicht dass ich tolle Texte produzieren könnte, aber Dinge "auf Bühne oder Kanzel" zu bringen, die eigentlich, also auf den ersten Blick, so gar nicht passen; die gegen den Strich gebürstet sind und gerade deshalb reizvoll. Unser Publikum am Wochenende hat sich wohl erheblich von der Literturszene, die sich sonst so einfindet unterschieden. Und trotzdem (oder auch deshalb) waren alle begeistert. (Was natürlich an den Texten, wie der dramtsichen Vortragsart lag. ich bekomm ja leider keine Prozente dafür aber die Werbung mache ich trotzdem gerne: Hartmut El Kurdi liest schon großartig. Mir ging beim Hören erstmals auf wie dramaturgisch gestaltet viele Glossen daherkommen, wie eigen die Charaktäre sind, die beim Lesen alle lebendig werden) 

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P.S.: Das Bild hat übrigens unser rasender Reporter Stock gemacht. Am Telefon meinte er, es sei voll Action und wer angesichts der -nun ja- Armhaltung etwas denke, der habe ja keine Ahnung. Den Hitlergruß habe man nur im Stehen "gemacht". Im Sitzen sei das was ganz anderes. Aber das sind mindestens zwei andere Geschichten und eine davon ist auch sehr lustig.

 

Sie säen nicht und ernten doch....

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