Sonntag, 28. November 2010

Synode in Hessisch Radmühl oder war´ s Preußisch?



Unsere Dekanatssynode tagt in Radmühl. Romantisch verschneit duckt sich unser Tagungsort mit seinen 347 Einwohner zwischen den Hügeln hinter Freiensteinau. Wie hier üblich ist die Kommune mit einem Dorfgemeinschaftshaus ausgestattet, das alle Bewohner fassen könnte. Ein stolzer Ortsvorsteher ist da, um neben seinem obligatorischen Grußwort ein Licht auf die Geschichte des zerissenen Örtchens zu werfen. Er steht einem Dorf vor, dass nicht ein Dorf sein kann/will: Die Grenze verläuft mitten hindurch und unterscheidet Radmühler in hessisch und preußisch. Die zugehörigen Schulbezirke und Kirchengemeinden (!) sind klar unterschieden, jeweils andere Unternehmen liefern den Strom und entsorgen den Müll. So kommt es, dass die meisten Einwohner zwar eine dreistellige Telefonnummer haben dafür der Ort aber zwei verschiedene Vorwahlen. Vorwahlen en Masse also, das Handynetz funkt aber noch nicht bis nach Radmühl. Deshalb wird es nichts aus der Ankündigung von der Dekanatssynode zu twittern.

Das ist schade, denn fast als hätte diese Begrüßung und der geteilte Ort mitten im vereinten Deutschland den Rahmen vorgegeben, verläuft die Sitzung eher kurios.

Posted from Blogium for iPhone

Dekanatsmusiker - ein Schnäppchen?

Wer gackert muss auch legen. Der gestrige Blog beschrieb noch launig die Kuriositäten Radmühls und endete mit der Aussicht, die Synode sei ähnlich eigenwillig verlaufen. Und das bezieht sich nicht mal auf das Eröffnungslied im Morgengottesdienst (Die Nacht ist vorgedrungen) sondern auf den Sitzungsverlauf.
Themen bei denen auf vorherigen Tagungen mächtig Dampf im Kessel war, wurden mit fast schon kommunistischen Mehrheiten beschlossen.
Und trotzdem wird am Ende diese Synode nicht der Einheit und dem Gemeinschaftsgefühl des Dekanats dienen. Im Gegenteil.

Im Zuge der Konzeption der neu zu besetzenden 2. Dekanatsmusikerstelle wird der Synode nämlich bewusst, dass die 1. Musikerstelle fast vollständig der Kirchengemeinde Lauterbach (dem Dekanatssitz) dient. Der Löwenanteil der Kosten übernimmt das Dekanat, der Kirchengemeinde bleibt relativ günstiger Eigenanteil.
Sofort rechnen einzelne gegen. In unserem crainfelder Fall entspricht dieser Eigenanteil einem unqualifizierten Chorleiter und einem Drittel Organisten ebenfalls ohne Leistungsnachweis. Oder anders gesagt, wollte eine Gemeinde eine entsprechende musikalische Versorgung haben wie durch die Dekanatsmusikerin müsste sie ein Vielfaches berappen. Und nochmal anders gesagt: die durchschnittliche Gemeinde zahlt mehr für ihre Kirchenmusik als Lauterbach, die sich die vom
Dekanat finanzieren lässt und bekommt dafür an Qualität und Quanität deutlich weniger.
Die Lauterbacher PfarrerInnen wehren sich gegen diese Interpretation mit Verweis auf ein "Zuweisungssystem." Der Vertreter der Regionalverwaltung widerspricht dem deutlich und sagt das sei nicht sachgemäß.
Der Dekan zugleich Lauterbacher Pfarrer soll Stellung beziehen und tut dies auch. Inhaltlich werden die Argumente die Mehrzahl der Synodalen nicht überzeugen (so mein Eindruck). Man beruft sich darauf, dass eine Dekanatsmusikerstelle nun mal in einer Gemeinde verortet sein müsse, dass es dafür historische Gründe gebe, dass diese Gemeinde dann auch die Sachkosten (Büroraum und PC) tragen müsse und dass hinter dieser speziellen Verortung ein gesamtkirchliches Interesse stehe.
Sicher muss der Musiker irgendwo seinen Sitz haben, und ebenso sicher leistet die Musikerin in Lauterbach einen großartigen Dienst.
Aber das Geschmäckle bleibt: Das Dekanat will den neu anzustellenden Musiker (die 2. Stelle) aus den Gemeinden abziehen - der "alte" Stelleninhaber leitete z.B. den crainfelder Podaunenchor. Damit entstehen Mehrkosten für die Gemeinden. Das passiert mit dem Hinweis, das Dekanat könne schließlich nicht die Kirchenmusik der Gemeinden mitfinanzieren!
Die Kirchengemeinde Lauterbach scheint aus dieser Logik ausgenommen: Sie bekommt wesentlich mehr und bessere Kirchenmusik für wesentlich weniger Geld. Und das liegt den Synodalen schwerer im Magen als die Erbsensuppe, die es zu Mittag geben wird.
Posted from Blogium for iPhone

Donnerstag, 25. November 2010

Über Memorysticks und Teffelin

Morgens halb acht in Crainfeld. Eigentlich sollte ich jetzt vor der 5. Klasse stehen und verängstigten Schülern die Blätter mit ihren Relitest austeilen. Statt diesen selten sadistischen Freuden des Unterrichts zu frönen sitze ich in unserer kalten Karre, die partout nicht anspringen will -  ist ja auch der erste härtere Frost gewesen.
Unbewusst schlingen sich meine Hände um ein Bändchen in meiner Jackentasche, an der etwas Kleines-Leichtes hängt, mein Memorystick. Auf einmal wird aus dem Stottern so etwas wie ein anhaltendes asthmatisches Motorengeräusch, nicht doll, aber der Golf lässt sich lenken.
Seltsam, sind Memorysticks die neuen Teffelin denke ich mir.
Schönes Bild für ein Hirn im "erste-Stunde-ist-zu-früh-Modus". Statt wie fromme Juden Gottes Wort mit sich rum zu schleppen und sich davon in  kleinen und großen Krisensituationen berühren zu lassen, greifen wir selbstreferentiell zu den eigenen Daten. Obwohl heute bin ich mal ganz vorbildlich selbstlos. Auf dem USB-Stick befindet sich eine PowerPoint Präsentation, die meinen Schülern, mittels Zeev Tenes "I bomebed Beirut" den Konflikt zwischen Israelis und Arabern näher bringen soll und nach Möglichkeiten eines unmöglichen Friedens suchen will.
Scheint dem Gott der Juden, Araber und Christen zu gefallen und deshalb bleiben die Daten auch nach der Unterrichtseinheit drauf, zumindest bis wir uns eine neue Karre leisten.

Die Links führen zum Wikiartikel "Teffelin" und zum Youtubevideo des Songs mit Szenen aus "Waltz with Bahir" 

Dienstag, 23. November 2010

Auf der Hatz nach dem Leibhaftigen

Was Luther recht war, soll uns billig sein. Am Jahrestag der Martin-Luther-wirft-auf-der-Wartburg-ein-Tintenfass-nach-dem-Teufel-Nacht vertrieb Heiligenthal den Leibhaftigen mit einem beherzten umstoßen eines Farbeimers aus dem Pfarrhauskeller. Dies nur, sollten sich zukünftige Pfarrergenerationen über den Fleck wundern und auf dass die richtige Geschichte dazu tradiert wird. Was Satan allerdings vor einem Tisch voll ausgemusterter Theologieschinken wollte, ist noch ungeklärt. Da die Mehrheit der Bücher allerdings von Barth verfasst ist, macht das ganze vielleicht aber doch einen Sinn...

Der Tag an dem heiligenthal sich eine Fortbildungsveranstaltung ausdenkt

 Im Jahr 1654 bewies ein gewisser Otto von Guericke vor dem Regensburger Reichstag die Kraft des Nichts. Genauer: Er ließ dreißig Gäule wie wild an einer Vakuum verschlossenen Kugel (also gefüllt durch das gewisse Nichts) ziehen, die nicht auseinander zu reißen wahr. Warum mir das in den Sinn kommt? Nun: Dreihundertsechsundfünfzig Jahre später soll sich diese Geschichte so ähnlich im hohen Vogelsberg wiederholen. Rund zwanzig Pfarrerinnen und Pfarrer lassen sich über hunderte Kilometer (Summe der Anfahrtswege) anziehen – vom Nichts. Genauer: vom Hauptpunkt der monatlichen Dekanatsversammlung „Thema: noch offen“. Und so sitzen wir dann im schönen Stockhausen, obwohl man sich erst außerplanmäßig vor zwei Wochen (zur Aussprache über den neuen Dekan) sah und reden vermutlich darüber wie wichtig es ist, dass man bei all dem Stress im Leben des Pfarrers auch mal Freiräume schafft (allgemeines Zustimmen durch Kopfnicken) oder auch, dass es gut ist, wenn Gemeinden eine Vakanz spüren und merken, dass nicht alles so wie immer sein kann, wenn kein Pfarrer da ist und das auch mal heilsam ist. Das muss dann allerdings mit dem Stellvertreter des Dekans besprochen werden, weil die Dekanestelle gerade vakant ist….
Weil Reden und Tun (oder besser: Reden uns es auch mal sein lassen) nicht so gut zueinander passen habe ich mir eine Fortbildung überlegt, die im Rahmen der übernächsten Dekanatskonferenz stattfinden soll, wofür ich in der kommenden Sitzung heftig werben will. Folgender Arbeitstitel „Lass ma´: Wenn nichts zu bereden ist, muss auch nichts besprochen werden“ Das Fortbildungsprogramm sieht vor mit dem Praktischen zu beginnen und die erste Sitzung ausfallen zu lassen (auch weil ich keine rechte Lust habe, mir so richtig eine Konzeption einfallen zu lassen und deshalb das Thema noch offen wäre und das geht ja gar nicht).

Montag, 22. November 2010

Dreiviertel Jahr Winter und ein Vierteljahr kalt

Heute ist es wieder soweit - es schneit. Kalt und eklig ist es woanders sicher auch, aber hier geht immer noch ein bißchen mehr, bestes Beispiel Tageshöchstwerte von -16 Grad im letzten Winter oder mindestens ein Monat weniger Frühling dafür einen Monat mehr Herbst als an der Bergstraße. Ist schon eigen. Der Vogelsberger nimmt's gelassen, zuckt mit den Schultern und meint "Dreiviertel Jahr Winter unn e Vierteljahr kalt" oder entgegnet auf die Kritik "Scheiß Wetter" gelassen "Besser als gar keins".
Bewundernswert, ich schaffte, schaffe und werde es kaum schaffen diesem Klima etwas Positives abzugewinnen - abgesehen von der einen Woche wenn sich im Rheinmaingebiet die Hitze staut während wir hier den skandavischen Sommer genießen.
Mittlerweile habe ich mehr Ausdrücke für "kalt" als Schäddel Biersorten im Sortiement.
Eigentlich hatte ich per twitter ja gelobt nicht mehr über das Wetter zu polemisieren. Aber zum einen ist dieser Nichtangriffspakt höchst einseitig und zum anderen hat die wissenschaftliche Betrachtungsweise hier im Blog Einzug gehalten. Und deshalb lässt sich die Grausamkeit auch ganz nüchtern darstellen.


Legende:
blau - Klamottenanzahl in Mainz
rot - Klamottenanzahl im Vogelsberg
1 Lange Unterhosen, davon 2 wollene - 3 Mützen/Kappen - 4 hohe Winterstiefel - 5 Daunenjacken -6 Stulpen - 7 Wollpullis - 8 Mäntel - 9 Fliesjacken

Es wird Advent

Ihr Lieben,
ich würde mich freuen, wenn viele Menschen den Advent erleben. Es ist eine tolle Zeit voll heiterer Melancholie. Wer mag kopiert die Plakate unten und verteilt sie per Mail weiter. Danke.






Mittwoch, 17. November 2010

EKHN 2.0

So ran an die Basics. EKHN heißt Evangelische Kirche in Hessen und Nassau. Und benennt nicht etwa eine radikale Minderheit, die an altertümlichen Landschaftsbezeichnungen festhält sondern eine Landeskirche. Die Evangelische Kirche Deutschland gibt es nämlich gar nicht. Diese EKD ist "nur" ein Dachverband vieler einzelner Landeskirchen. Und die sind als Kirche selbstständig, das heißt haben je ihr eigenes Recht, je einen "Chef", der mal Bischof, mal Präsident oder noch drolliger heißt und eigene religiöse und liturgische (bedeutet die Art und Weise Gottesdienst zu feiern) Traditionen.
Diese Kirchen heißen seltsam, Nordelbien würde man ja eher im Herrn der Ringe vermuten als in Norddeutschland. Das kommt daher, dass Luther bei der Umsetzung seiner Reformation im 16. Jahrhundert keine evangelische Bischöfe hatte, denn die waren und blieben katholisch. Aus der Not heraus erklärte er die Fürsten zu Vorstehern der evangelischen Kirche ihrer Region. Die hatten die Landeskirchen zu bilden und zu leiten. Viel hat sich geändert seitdem, in der Regel teilen sich Bischof und ein Kirchenparlament (die sogenannte Synode) den Job der Leitung. Die Grenzen der Kirchen blieben aber gleich und entsprechen damit in Ausdehnung und Namen den Fürstentümern der alten Zeit.

So ist das geklärt. Keine Angst, das muss man nicht gut finden und seit einigen Jahren ist Bewegung drin, manche Landeslirchen planen und Vollziehen eine Fusion. Ich selbst hoffe, dass am Ende dieses Prozesses eine wirkliche Evangelische Kirche Deutschlands steht.

Und man soll ja nicht alles so schwarz sehen wie ich das gerne tue. Die Landeskirchen zeigen ja immer wieder eine erfreuliche Fähigkeit zur Modernisierung. Sei es dass man in Niederhöchststadt attraktive Gottesdienste feiert oder mehr und mehr das Netz als Medium zur Kommunikation auch der frohen Botschaft begreift. Wer sehen will was ich meine, klickt auf die großartige Aktion der Kurhessen zum Buß- und Bettag oder die schöne Seite der Citykiche Schweinfurt oder unserem eigenen bescheidenen Youtubechanel.
Klar, dass soviel Innovation nicht immer gut gehen kann und manchmal ins unfreiwillig komische abdriftet. Der Versuch über die Tagung der Synode zu twittern scheint irgendwie misslungen. Bisher finden sich gerade mal 5 Follower ein (und heute geht das los). Drei scheinen irgendwie mit der Aktion direkt verbunden, tragen jedenfalls das Logo der Synodennews, ein Amimädel sucht hier nach Dates und ich bin gespannt was die Synode so an Modernem auf den Weg bringt.


Posted from Blogium for iPhone

Freitag, 12. November 2010

Days like this: Winde wehn....

Der Blog heißt ja so romanatischironisierend "Aus dem Leben eines Dorfpfarrers. Da will ich statt zuviel zu versprechen lieber ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern. Das Setting ist weitestgehend bekannt: Mein Leben spielt sich im Vogelsberg und aktuell im Novemember ab und so sieht ein fast normaler Freitagvormittag aus:

Auf dem Weg zur Aussegnung (das ist eine obligatorische Kurzandacht, wenn ein Verstorbener vom Bestatter aus dem Haus geholt wird), versuche ich per Handy mit unserer Versicherung ein Modus Vivendi in einem seltsamen Schadensfall zu finden. Der Traktorreifen eines ehrenamtlichen Helfers ging bei Arbeiten auf dem Kirchengelände an einem Nagel hopps (merke: Arbeiten ohne Traktor kommen hier faktisch nicht vor). Die Dame am Apparat ist nicht nur zu erreichen sondern auch sehr hilfsbereit. Ich komme erleichtert an, immerhin kein Ärger vor dem bevorstehenden pastoralen Akt.

Über Aussegnungen selbst müsste man mal ausführlichen sprechen, vielleicht so viel: So problematisch sie arbeitsorganisatorisch betrachet sind, so wertvoll und bewegend sind sie oft.

Nach der Feier leite ich dann im Zurücklaufen Sponsorenmails an unsere Grafikerin weiter. Fluch und Segen des Iphones, das die Büchse der Pandorra öffnet und so etwas möglich macht. Apropos Fluch und Sponsorenmails (Segen kommt später noch): Da es aus verständlichen Gründen keinen Ortsbeirat mehr gibt hat die Macht des Faktischen mich ausersehen die Einmannlogistikzentrale des Kirch- und Dorfjubiläums zu sein. Irgendwie nicht ganz untypisch und dabei drollig denke ich.
Noch drolliger erweist sich was zuhause im Briefkasten wartet. Sponsoren, die ihr Logo leider nur als verwaschene Schwarzweißkopie auf Papier weiterleiten können, das auch noch lustig mit Kuli verziert ist, im Jahresflyer bitte aber mir rotem Balken und das schön hervorgehoben und das bitte fett und überhaupt bunt erscheinen möchten, andere erwarten offensichtlich auf einem DinA4 Flyer Halbseitenanzeigen, als allgemeine Regel gilt: ordentlich zu verarbeitende Logos - soll heißen im gängigen Format per Mail - müssen nicht sein, die Verarbeitung, Scannen, Zuschneiden, kollorieren wird wohl vorrausgesetzt, ein Korrektabzug natürlich erwartet.
Na dann, telefoniere ich mal mit der Grafikerin und lade nebenbei fotologbilder hoch (siehe da), schreibe eine kombinierte Homepage- und Pressemitteilung über die Segnungen (da ist er ja der Segen) des Frauenkreisangebots (klickst du hier) und renne dann ins Dorflädchen weil ich zum Zusammenstellen des Mittagsmahls noch Yoghurt brauche (meine Frau fährt dieweil die 35 Kilometer einfache Strecke zum tegut, wegen "gesund" und "ökologisch", der Widerspruch "mit CO2 rausblasen" "um hinzukommen" ist uns bewusst! Wir wissen auch, dass es eine Fillale der Kette in Lauterbach gibt, das sind zwar nur 23 Kilometer einfach, aber die müsste teunterdurchschnittlich heißen.)

Ohne Auto zu erreichen ist zum Glück der Laden. Auf dem Rückweg bläst mich aber die Fortsetzung des Sturmes an der am gestrigen St. Martin nicht nur Laternen aus- sondern auch kleine Laternenträger umgepustet hat.

Wenigstens macht der Briefkasten diesmal Freude. Der literarische Zirkel - sprich die Familie mit der wir Bücher (nächste Bücherei in Lauterbach, die bessere in Fulda, vgl. oben) tauschen hat ein neues Paket eingeworfen. Neben viel Nobelpreiszeugs (Llosa, Kertesz und Müller) überrascht ein humoriges Büchlein "Heirate nie den Berg hinauf", das sich laut Untertitel mit der Modernisierung des Vogelsberges beschäftigt.

Und siehe da im Vorwort steht schon brennglasgleich alles zusammengefasst, und wirft so ein konzentriertes Licht auf das was mich heute beschäftigt hat: Tradition, nicht funktionierende Moderne, Wetter und den Umgang mit Widrigkeiten:

"Um so drastischer ist sein (Anmerkung: der des Vorgelsberges) Beginn, wenn man auch nur wenige Kilometer von der Autobahnabfahrt entfernt ist. Leicht winterliches Wetter auf der Autobahn verwandelt sich umgehend in eine windverbla-sene, eisige Schneelandschaft, die Dörfer ducken sich in die Täler, mancher Höhenweg ist nur mühselig zu befahren. Glaubwürdig sind auch Berichte, daß noch vor kurzem der eine oder andere auf dem Fußmarsch von Schotten nach Lauterbach erfroren ist. Und hemmungslos sind auch die Sommer. Jede Gelegenheit zu Regen und Wind wird ausge­nutzt, dichter Nebel sitzt dann auf dem Hohenrodskopf. Gibt es aber zu solchem Wetter einfach keine Gelegenheit, dann ist es kompromißlos Sommer, wirkliche Wiesen mit Blumen und Duft, bald auch Heu, die Wärme steigt an den Hecken entlang zum Waldrand hoch. Es kommt aber auch dann häufig zu Winden, und von der Herchenhainer Höhe aus lassen sich Bussarde bis weit in die Wetterau heruntertreiben. Die Vogelsberger betonen bei jeder Gelegenheit die Benach­teiligung durch die Natur und unterscheiden genau das Widrige von dem noch Widrigeren.

aus Detlev Ipsen (Hg.): Heirate nie den Berg hinauf! Berichte über die Modernisiserung im Vogelsberg. ISBN 3-88751-005-4, S. 8


Posted from Blogium for iPhone

Dienstag, 9. November 2010

Fünf Pfarrerjahre sind zehn Menschenjahre



Meine Uroma war alt, aus der Sicht eines Grundschülers sogar sehr alt. Aber immer wenn ich versuchte das Geheimnis dieses Alters wenigstens zu beziffern, seufzte sie nur auf: "Ach, ein Menschenjahr sind sieben Hundenjahre!".



Bis gestern war mir nie so richtig klar, was mir die Gute mit diesem Mantra mit auf den Weg geben wollte. Doch dann wartete der diesjährige historische crainfelder Dorfkalender im Postschlitz. Der ist in Text und Bild ganz ordentlich gemacht, über die netten Ansichten hinaus hinaus ergab sich aber plötzlich sich beim Betrachten eine neue Einsicht.



Ein Gutteil der fröhlich lasziv schauenden Mädels und Jungs der Spinnstube (entsprach in alten Zeiten etwa dem Portal Single.de) habe ich beerdigt, ebenso den Vater der Wuchtbrumne auf dem Konfibild von 1975. Einige Halbstarke des Feuerwehrbildes Anfang der Achtziger haben die Frau fürs Leben gefunden und das in der Silbernen Hochzeit mit mir gefeiert. Andere der Jungs haben spät Kinder bekommen, die ich taufen durfte. Und überhaupt die meisten der Hausnamen "Götzjes" "Gänslengesch" und so weiter sind nicht mehr reines Kauderwelsch in meinen Ohren sondern ergeben Bilder von tieftraurigen, lustigen und skurilen Begegnungen bei Geburtstagsbesuchen, Hochzeits-, Tauf-, Beerdigungs- oder einfach Seelsorgegesprächen.



Und mit wird mir klar, dass eine Zeiteinteilung jenseits der Messbarkeit in Stunden, Tagen, Wochen und Monaten existiert und dass ich innerhalb dieser eine Grenze überschritten habe (ob ein natürliches Recht auf Familiennachzzug respektive -zusammenführung besteht muss ich mal mit meiner Frau bei einem Lauterbacher Pils diskutieren (natürlich ein Scherz - nicht das mit dem Diskutieren sondern das mit dem lokalen Hopfengetränk, wir greifen zum Rotwein).



Ich bin jedenfalls ein gefühlter Teil dieses "Dorfganzen" geworden.



Und deshalb antworte ich ab sofort auf die Fragen, wie lange ich schon hier bin oder wie lange ich noch zu bleiben gedenke: "Ach, fünf Pfarrerjahre sind zehn Menschenjahre!" und füge für Oma Gretchen noch dazu "oder 70 Hundejahre!"







Und jetzt zur spannenden Leseraufgabe: Finde die "Wuchtbrumme"! Lösung bitte an http://www.facebook.com/pages/kirche-crainfeldde/190161071084



mclass='blogium-promo'>Posted from Blogium for iPhone

Samstag, 6. November 2010

Manamana - ein synoptischer Vergleich

Der November ist ja nun mal nicht unbedingt ein Guter Laune Monat. Erlebt man ihn ganz abgesehen von allem Scheißwetter auch im Lauf des Kirchenjahres wird das eher noch schlimmer. Weder Totensonntag noch der Volkstrauertag lassen den Liturgen lachen (Apropo Volkstrauertag: Doppelt schlimm, sowohl erleben wie drüber nachdenken, ich kopiere mal den Alttext Heiligenthal soll trauern rüber).

Angesichts all des Elends greife ich - ich will es zugeben - gerne zu kleinen, bunten synthetischen Stimmungsaufhellern. Keine Sorge, weder verstoße ich wissentlich gegen das Betäubungsmittelgesetz noch kann unser Wundertoaster jetzt auch Extacy simulieren, die Rede ist von der Muppets Show. Und wer Muppets sagt, der muss auch ManaMana summen:







Aber warum funktioniert das eigentlich so treffsicher. Komische Puppen singen komisches Zeugs und der Körper schüttet Glückshormone aus?



Als Theologe hat man ja zum Glück gelernt genau hinzuschauen; wenn man z.B. eine Bibel nicht versteht, dann versucht der wissenschaftlich Verbildelte sich nicht etwas das zu erklären sondern flüchtet sich in einen Textvergleich mit ähnlichen/verwanden Stellen und fragt nach der ursprünglichen Textfassung (als ob die dann klarer wäre, im Gegenteil die muss sogar möglichst unverständlich sein, gilt dem Textforscher doch die lectio difficilior, soll heißen die schiere Unverständlichkeit, als Beweis für die älteste Textfassung)



Auf unsere Fragestellung angewandt, ergibt eine kurze Recherche, dass der ManaMana Auftritt der Muppets gar kein Original ist, sondern abgekupfert wurde, er kam Ende der 60er Jahre zunächst in der Sesam Straße vor und zwar in dieser Version:







Lectio difficilior stimmt ja schon mal in soweit: Es ist schwierig für Novembertrübe Seelen, dass diese Version so gar nicht lustig ist. Könnte das Beweis sein, dass all die Unimethoden einfach nix bringen? So leicht will ich mir das nicht machen und recherchiere kräftig weiter. Und siehe da, auch die Sesamstraßenversion ist nicht die Älteste. Tatsächlich tauchte der Manamanasong das erste mal in Europa auf, in einem Softpornostreifen. Als “Mah Nà Mah Nà” wurde es von dem Italiener Piero Umiliani geschrieben und 1968 in dem Film “Svezia, inferno e paradiso” veröffentlicht. Der bahnbrechende Film lässt sich italienische Laiendarstellerinnen als Darstellerinnen schwedischer Nymphomaninnen versuchen. Gibst doch gar nicht, doch:







Und darin liegt wohl des Pudels Kern. So herrlich abstrus wie das Vorbild ist auch die Muppetversion. Und so dürfte es wohl der warme Hauch der Anarchie sein, die etwas Leben in den trüben November bringt.



Und so nebenbei habe ich endlich mal wieder hochwissenschaftliche Bibelmethoden angewendet!!!





Posted from Blogium for iPhone

Heiligenthal soll trauern

weil in neuem Text (Manamana) erwähnt und weil eh bald wieder Volkstrauertag hier nochmal ein Text aus dem aufgegenem Wordpressblog


Ein gestriger Tweet lautete in etwa, dass Dekanatssynoden und Volkstrauertage jetzt nicht unbedingt die zwei Hauptgründe für meine Berufswahl waren. Aber einmal im Jahr ist es dann unausweichlich. Mag sein, dass die Predigt Kategorie "Mahnen und Warnen" nicht so den zu den besseren zählt, aber der Gottesdienst läuft trotzdem einigermaßen, eine gute Liturgie und Lieder tragen. Spätestens auf dem Friedhof, Stichwort Kranzniederlegung am Ehrenmal, muss ich an Martin Walser denken. Der badische Dichterfürst erzählte seinerzeit in der Paulskirche so einen Mist (Israel missbraucht die Shoa zum Politikmachem), dass die beachtenswerte Aspekte unter der braunen Scheiße begraben wurde (vgl. Sarrazin).

Und die gab es. Jetzt erinnere ich mich. Hier auf dem Friedhof am Ehrenmal auf dem ein großes Eisernes Kreuz steht, gerade haben wir "ich hatt einen Kamaraden" gehört, gefolgt vom offiziellen Gedenktext und anschließenden Kranzniederlegungen. Walser meinte, jede Generation müsse ihre eigenen stimmigen Riten, Zeichen und Formen des Gedenkens finden. Meine, die zweite Nachkriegsgeneration hat das offensichtlich noch nicht getan, jedenfalls bin ich der einzige unter 50, soweit ich die überschaubare Besucherschar überblicke.

Wie schwer das ist, Traditionen durch neue Formen zu beleben, darüber habe ich mich diese Woche auf unserer HP kirche-crainfeld.de ausgelassen - leidiges Thema "Schulgottesdienst". Dass es nötig ist, um das wichtige Erinnern der Auswirkungen von Krieg und Gewalt in die Generationen zu tragen, die es nicht am eigenen Leib spüren mussten oder die Trauer der Eltern erlebten, habe ich an diesem Tag gelernt.

Ein gestriger Tweet lautete in etwa, dass Dekanatssynoden und Volkstrauertage jetzt nicht unbedingt die zwei Hauptgründe für meine Berufswahl waren. Aber einmal im Jahr ist es dann unausweichlich. Mag sein, dass die Predigt Kategorie "Mahnen und Warnen" nicht so den zu den besseren zählt, aber der Gottesdienst läuft trotzdem einigermaßen, eine gute Liturgie und Lieder tragen. Spätestens auf dem Friedhof, Stichwort Kranzniederlegung am Ehrenmal, muss ich an Martin Walser denken. Der badische Dichterfürst erzählte seinerzeit in der Paulskirche so einen Mist (Israel missbraucht die Shoa zum Politikmachem), dass die beachtenswerte Aspekte unter der braunen Scheiße begraben wurde (vgl. Sarrazin).

Und die gab es. Jetzt erinnere ich mich. Hier auf dem Friedhof am Ehrenmal auf dem ein großes Eisernes Kreuz steht, gerade haben wir "ich hatt einen Kamaraden" gehört, gefolgt vom offiziellen Gedenktext und anschließenden Kranzniederlegungen. Walser meinte, jede Generation müsse ihre eigenen stimmigen Riten, Zeichen und Formen des Gedenkens finden. Meine, die zweite Nachkriegsgeneration hat das offensichtlich noch nicht getan, jedenfalls bin ich der einzige unter 50, soweit ich die überschaubare Besucherschar überblicke.

Wie schwer das ist, Traditionen durch neue Formen zu beleben, darüber habe ich mich diese Woche auf unserer HP kirche-crainfeld.de ausgelassen - leidiges Thema "Schulgottesdienst". Dass es nötig ist, um das wichtige Erinnern der Auswirkungen von Krieg und Gewalt in die Generationen zu tragen, die es nicht am eigenen Leib spüren mussten oder die Trauer der Eltern erlebten, habe ich an diesem Tag gelernt.



Montag, 1. November 2010

Wenn Arbeit einen Sinn ergibt...

Ein schöner Helge Schneider "Gag" geht so: Danke für den Applaus, Applaus ist das Schönste im Leben eines Künstler fast so schön wie Ficken..."
Da kann der Pfarrer nur neidisch zum "Bühnenkollegen" rüberschielen (ich vermute hier liegen auch die Gründungsgründe der Pfarrerkabaretts, aber das ist eine andere Geschichte). Applaus gibt's selbst nach brillantesten Predigten nie, dafür aber Lob an der Ausgangstür. Und das ist fast genauso gut, zum Glück und zur Motivation sparte meine Gemeinde in den Anfangsjahren nicht damit.
Mittlerweile ist es weniger geworden, vielleicht lasse ich nach, mag sein, dass sich ein gewisser Gewöhnungseffekt eingestellt hat oder man will doch mehr "Gutes Altes" als ich das biete (auch das ein anderes Thema) -  jedenfalls häufen sich Statements, die beweisen, dass sich die Logik "Lob motiviert" auch umdrehen lässt.
Dazu ein reines Gedankenspiel: Man stelle sich vor, ein Pfarrer erkläre sich bereit den Konfiunterricht für einen erkrankten Kollegen zu übernehmen. Bewusst entschiede er sich dafür diese Gemeinde zu unterstützen und damit gegen die Vertretung der Schulstunden, obwohl die ordentlich vergütet werden, der Konfiunterricht aber gar nicht. Dann geht der Pfarrer in den Kirchenvorstand der betroffenen Gemeinde, stellt sein Konzept vor, zeigt Bilder und Projekte der Konfiarbeit, die man getrost als "richtig gut" einstufen darf. Entlassen werde er dann mit den Worten des KV Vorsitzenden: Herr Pfarrer wir erklären uns hiermit bereit und erlauben ihnen den Unterricht in unserer Gemeinde zu erteilen!"
Wie würde der Pfarrer wohl reagieren? Sich Luft machen und die Story in seinem Blog erzählen? Vielleicht und wenn ja möglichst neutral, denn die Gedanken, die er sich darüber macht, sind wohl kaum veröffentlichbar.
Zum Glück gibt sie auch noch die postiven Reaktionen in letzter Zeit. Nein ich meine nicht das Statement der Gottesdienstbesucherin nach einem eher gelungenem Reformationsjugendgottesdienst mit Pianist, Gitarre und Jugendchor "Ich muss sagen, dass die Orgel nicht gespielt hat, hat mir gar nicht gefallen, ich meine die erste Reaktion (abgesehen von meinen Facebookkontakten) auf die Aktion zum Kirchenjubiläum eintausend schöne Bilder der tausendjährigen Kirche zu sammeln. Die kommt zwar erst nach rund 580 Fotos ist aber so aufbauend, dass ich sie im Wortlaut weitergeben will:

HOLLE Dear,
My name is miss esther Bello i saw your profile today at www.fotolog.com i became interested in you i will also like to know you the more,and i want you to send a mail to my email address so i can give you my pictures for you to know whom i am. I believe we can move from here. I am waiting for your mail to my email address above.(Remember the distance or colour does not matter but love matters alot in life)

     Please reply me with my email address here
               Mailadresse

                
Thanks,
Yours New Friend
Miss esther Bello.
Posted from Blogium for iPhone