Sonntag, 25. September 2011

Jeden Tag ein kleiner Abschied - Gang durchs jüdische Crainfeld

Verrückt, es gibt Tage die verrücken die Wahrnehmung ohne das viel passiert.

Heute war so einer, weil sich erstaunlich-erfreuliche viele Leute auf die Spuren des jüdischen Crainfelds gemacht haben. Eigentlich ist das alles bekannt: Crainfeld war eines der Zentren des jüdischen Lebens im Vogelsberg - auch weil das Adelsgeschlecht der Riedesel den Nazis das "Judenfrei" schon jahrhunderte vorweg nahmen und keine Juden in ihren Dörfern duldeten.

Und doch ist es etwas anderes, die Häuser abzugehen, an die Menschen und ihre persönliche Geschichte erinnert zu werden. Besonders bewegend waren die erzählten Erinnerungen der alten Crainfelder: Wie der jüdische Nachbar so packend erzählte, dass man das Geld für die Zeitung sparte, wie die Lausbuben von der Mauer aus in die Synagoge lugten und sich über die Gebetsformen amüsierten, wie aufgeregt die Mädchen waren, wenn ihnen ein seltender Besuchergang in die Miquwe erlaubt wurde.

Und damit rückt das Unverständnis ins Zentrum und stellt diese unangenehmen Fragen: Wie konnte ein weitestgehend gutes Miteinander unter dem Stiefelgedröhn der SA Schergen zerbröseln? Warum haben sich nicht die tapferen Hilfsangebote und die vereinzelte Solidarität und das Mitleid durchgesetzt, sondern die massenhafte Deportation in den den Tod? Warum musste die Synagoge abgerissen und das jüdische Bad zugeteert werden?

Aber vielleicht liegt ja darin genau der Sinn eines solches Tages, sich dem Irrsinn, der schon nicht mehr Verrücktheit genannt werden kann, bewusst zu werden. Ich werde ab sofort sicher ein wenig anders durch Crainfeld gehen.

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