Eine Email drudelt ein. Evangelischer Pressedienst, Stellungnahme des designierten Propstes Schmidt.
Ich fliege über die Überschrift und ein Reflex stellt sich ein. Post vom Vorgesetzten – Sicher nichts Gutes. „Propst Schmidt will Pfarrer entlassen“ lese ich. Das ist ja mal originell so zum Dienstantritt denke ich und merke schamrot, dass ich mich verlesen habe „Entlasten“ heißt es.
Das finde ich gut. So was habe ich von einem Propst bisher nur in einer Abschiedsrunde vernommen, zwei Wochen vor Ruhestand, wo er also gar nicht erst in Versuchung kommen konnte das in Aussicht gestellte auch umzusetzen. Sie werden sich kaum wundern, dass ich Schmidts Analyse teile, die Anforderungen an den Pfarrberuf sind gestiegen.
Und darüber müsste man mal reden.
Reden wir nicht über die allgemeine Beschleunigung der Zeit zu tun. Über die sich via Blog aufzuregen und das per twitter zu verbreiten wäre bigott.
Reden wir über die Erscheinungsästhetik. In Zeiten des PowerPoint und Photoshop kann ich meinen Gemeindebrief mehr per Schwarz-Weiß Kopierer zerknittern lassen. Die Medien geben uns einen Standart vor den wir ohnehin kaum erreichen, aber nahe dran kommen müssen, um wahrgenommen zu werden. Und reden wir über die nötige Professionalisierung und die Mehrarbeit, die diese Anforderung bedeutet.
Reden wir über den Package-Deal. Der beschreibt, dass die Anforderung an einen Pfarrer durch Anerkennung und Entlastungen auch finanzieller Art ausgeglichen werden müssen. Diesen tritt Kirchepolitik gerade mit Füßen! Diesen ganzen Quatsch, dass man jetzt gerne Weltkonzern spielt und sich den Regeln und Sprachregeln der Wirtschaft anpasst, will ich mir an anderer Stelle vornehmen. Hierher gehört, dass Urlaubsgeld durch „Gewinnbeteilungen“ ersetzt werden (kommen bald die Boni?), damit eine Schlechterstellung aber nicht kaschiert werden kann. Es ist auch kaum ausgleichend per Beteiligung an Renovierungskosten seinen Pfarrern die Miete faktisch um 25% zu erhöhen (nachzurechnen in meinem persönlichen Fall). Auch nicht unter „Motivation“ kann laufen, dass kritische Nachfragen dazu monatelang unbeantwortet bleiben.
Wenn wir gerade bei schlechter Kirchenpolitik sind, reden wir weiter über das Pfarrhaus. Dessen Unterhalt wurde in Hände der Gemeinde übergeben. Zugespitzt formuliert muss seitdem der Pfarrer mit seinem Kirchenvorstand entscheiden, ob der Gemeindeetat für Renovierungen belastet wird oder für anderes. So steht man vor der unglücklichen Aufgaben bei knapper werdendem Geld die eigene Wohnsituation gegen Gemeindearbeit abzuwägen. Schimmel in der Küche beseitigen und dafür Kindergottesdienst kürzen? Schlechte Kirchenpolitik, die Pfarrer als leitendes Personal belastet!
Reden wir weiter über die. Davon gibt es ja jede Menge, reden wir über Stellenstreichungen. Am Beispiel unserer kleinen Dorfgemeinde. Wir dürfen uns seit vorletzten Jahreswechsel z.B. zusätzlich um die Oberwaldklinik kümmern. Verbunden mit einer unrealistischen Erwartungen an Klinikgottesdiensten (dort soll im Jahr sechsmal so oft Kirche sein wie in unserem Fillialort Vaitshain!). Ausgleich für diese Mehrbelastung wurde nicht mal angesprochen.
Bleiben wir aber ruhig mal bei dem ersten Teilaspekt und reden über überzogene Erwartungen. Meiner Meinung nach gibt es für die eine angemessene Reaktion – sie zu enttäuschen. Damit stehe ich oft alleine auf weiter Flur. Ich unterstelle vielen Kollegen und kirchlichen Entscheidungsträger sich die Mehrarbeit und Belastungen so zu Eigen gemacht haben, dass sie sie unkritisch tragen und vertreten. Dabei Totschlagargumente wohin man schaut. Wie könnte ein Pfarrer schon was gegen Gottesdienstfeiern sagen (im Fall der Klinik)? Natürlich ist es wichtig am regelmäßigen Gottesdienst festzuhalten, aber nicht an jeder Milchkanne oder in jedem Klinikkabuff. Aber sag das mal. Es wird ja schon unter dem Punkt „Unmotiviertheit der Kollegen“ auf Pfarrkonferenzen nach besprochen, dass auf Sitzungen betont wird, dass die vereinbarte Zeit weit überschritten wird. Hier könnte man noch mal über meinen ersten Redebedarf reden, der Professionalisierung. Nehmen wir die nur Ernst, wenn sie uns Mehrarbeit bringt? Man könnte es vermuten!
Über das Thema „freien Tag“ braucht man im Kollegenkreis gar nicht mehr zu reden, mehr als ein müdes Kopfschütteln kommt da nix! Wie unprofessionell ist das denn, keinen fest verankerten freien Tag in einer sechs Tage Arbeitswoche zu haben. (Hat ja nicht mal der liebe Gott von sich selbst gefordert siehe Genesis 1). Sich selbst besser um Entlastung bringen als die Kirche das mit der beschriebenen Politik könnte – ticken wir so? Könnte man meinen zumindest wenn wir über Beerdigungen reden. Oh heikles Thema. Da sind Menschen in existentieller Not und dieser wollen wir als Seelsorger angemessen helfend, lindernd und begleitend begegnen. „Nah dran am Menschen“ sein, wie das der neue Vogelsberger Dekan als Leitspruch ausgegeben hat. Aber müssen die Aussegnungen (das sind kurze liturgische Rituale, die der Tradition nach gehalten werden, wenn ein Verstorbener aus dem Haus zum Friedhof überführt wird. Der Erwartungshaltung folgenden Praxis aber auch, wenn der Verstorbene vom Krankenhaus oder Altersheim zum Wohnhaus gebracht werden muss um dann zum Friedhof gefahren zu werden oder Stunden vor der Beerdigungsfeier direkt auf dem Friedhof oder noch anders) uns deshalb in eine faktische Rufbereitschaft versetzen? Oder muss deshalb der Samstag als Bestattungstag installiert werden?
Liebe Leserbriefschreiberin, bevor jetzt sie empört zur Feder greifen, will ich betonen: Ich lehne weder Aussegnungen ab, noch sperre ich mich dagegen Gemeindegliedern in Terminwünschen gerade in sensiblen Situationen entgegen zu kommen. Wohl aber gegen die Erwartungshaltung ein Pfarrer habe alles zu jeder Zeit zu machen. Aus Gründen, dass müsse halt so sein, Und vor allem dagegen das Recht auf angemessene weil notwendige Rückzugszeiten auszuhöhlen. Namentlich ein fester freier Tag die Woche. Das eingedenk warte ich gespannt auf kritische Replik (und werde sie schneller beantworten als unser Kirchenjurist).
Reden wir über den Versuch eines Fazits. Ich freue mich, dass der neue Propst die Entlastung Wochen vor seinem Antritt und nicht Abtritt thematisiert. Ich sehe Handlungsbedarf auf verschiedenste Ebenen. Auf der der Kirchenpolitik, die Auswirkungen der Regelungen auf die Motivation der Pfarrer in Blick nimmt. auf Ebene der Pfarrer, ihres Selbstbildes, ihres persönlichen Anforderungsprofils selbst. Und auf Ebene der Gemeindeglieder, ihrer Erwatung an ihre Kirche und deren hauptamtliche Vertreter.
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